von Michael Schneider, Endersbach

Der vorliegende Haushaltplan 2019 ist relativ unspektakulär. Das liegt vor allem daran, dass wir wieder sehr hohe Kirchensteuereinnahmen von unglaublichen 770 Mio € erwarten. Wir können dem Steuerzahler dafür nur danken. Nun haben wir gerade von Dr. Kastrup und Michael Fritz von den großen Herausforderungen der Zukunft gehört, ich möchte allerdings nicht in die gleiche Kerbe schlagen. Im Gegenteil – ich habe eine Schallplatte mitgebracht (Schallplatte zeigen).

Das hat nichts mit dem Landeskirchenmusikplan zu tun, der sich nun zum Glück auch im Haushalt wiederfindet. Nein, die Schallplatte war eine totgeglaubte. Dem Siegeszug der Digitalisierung fiel sie zuerst in Form der CD, dann der mp3 zum Opfer. Im Jahr 2000 wurden nur noch 600.000 Schallplatten verkauft, Pressen wurden nach China verschifft und Vinyl düstere Zeiten verheißen: Nicht mehr zeitgemäß, qualitativ schlecht, spricht die Menschen nicht mehr an, verstaubt im Schrank.

Und nun, entgegen aller Prognosen, vielleicht haben sie es mitbekommen: Der Umsatz mit Schallplatten hat sich seit dem Tiefpunkt wieder verachtfacht. Die Nachfrage steigt und Pressen werden aus China zurückgekauft. Die Schallplatte erlebt eine Renaissance. Warum? Ich glaube es hat etwas damit zu tun, dass man sie anfassen kann, man legt sie auf, erlebt Musik ganz anders als digital. Das Digitale kann das Analoge nicht ersetzten.

Die Kirche hat die Chance auf eine Renaissance, weil sie einen Raum schafft, in dem Begegnung und Kommunikation möglich ist.

Der Mensch ist ein Beziehungswesen, er ist auf Beziehung angelegt. Der digitale Raum wird nie die echte Begegnung zwischen Menschen ersetzen können. Ich glaube die Kirche hat die Chance auf eine Renaissance, auch in Zeiten der Entsolidarisierung, Individualisierung und Digitalisierung wieder mehr Bedeutung in der Gesellschaft zu bekommen, weil – oder wenn – sie einen Raum schafft, in dem Begegnung und Kommunikation möglich ist. Wenn sie sich auf ihr Kerngeschäft konzentriert. Das habe ich am Montag schon gesagt, wir werden uns vermutlich nur nicht darüber einig, was ich Kerngeschäft sein soll.

770 Mio. Wenn man sich das vorstellt: Im ersten Haushalt, den wir als 15. Synode verabschiedet haben, wurden mit 660 Mio. Kirchensteuermittel im Jahr 2015 gerechnet, 110 Mio. weniger als heute. Wie setzen wir das Geld ein? Für was verwenden wir unsere Energie und unsere Ressourcen: Umstellung des Finanzwesens, Dienstgebäudesanierung, Serverraum, Verwaltungsumbau… das sind alles große Geldfresser, die aber notwendig sind. Bei vielen Maßnahmen, die sie im Haushalt finden, sind wir zudem völlig machtlos.

Wir müssen sie machen, weil die rechtlichen Rahmenbedingungen es vorschreiben: z.B. Umsetzung des Rechtsanspruches auf Regelauskünfte zu den Versorgungsbezügen 1,2 Mio. oder die 2,19 Mio. für Informationssicherheit. Das ist die Hälfte der Kirchensteuerzuweisung eines kleinen Kirchenbezirks, nur um das ins Verhältnis zu setzten. Es gibt einen Sack voll Maßnahmen, die alle wichtig sind und wo wir – wie alle anderen auch – abhängig von rechtlichen Rahmenbedingungen sind, die große Kosten verursachen können. Jeder der schon mal den Brandschutz in seinem Gemeindezentrum hatte, weiß, wovon ich spreche.

Es ist gut, dass wir gerade die Mittel haben, um die großen Veränderungsprozesse durchzufinanzieren.

Wir arbeiten an vielen Baustellen gleichzeitig und es ist gut, dass wir gerade die Mittel haben, um die großen Veränderungsprozesse durchzufinanzieren. Trotzdem muss man unsere Ressourcenverwertung auch kritisch und synodal selbstkritisch anschauen dürfen: Wenn sie die Antragsliste anschauen, wird ihnen auffallen, wie viele Anträge sich nur mit uns selbst beschäftigen oder mit einer vermeintlichen Außenwirkung, oder im Blick auf Aufwand und Ertrag völlig aus dem Ruder laufen.

Nur als Beispiel: Beim Antrag 65/16 Kompensationszahlungen CO2 Ausgleich. Es ging um 2.152 €. Das Synodalbüro hatte allerdings 40 Stunden Arbeitszeit darauf verwendet, zusätzlich der Aufwand der Synodalen – …so wichtig das Thema ist, einfach eine Pauschale von 4000€ wäre wesentlich effektiver gewesen, hätte viel Zeit und Geld gespart, zumal synodale Fernreisen – ein riesen CO2 Verursacher – in dem Fragebogen überhaupt nicht erfasst wurden. Hören Sie es bitte richtig, mir geht es darum, wie wir mit der Ressource Zeit und Arbeitsaufwand umgehen.

Wofür verwenden wir unsere Kraft? Wofür setzten wir unsere Ressourcen ein? Wo sind die millionenschweren Maßnahmen mit Außenwirkung? Natürlich kann man sagen, alles was Kirche tut, ist im weitesten Sinne Verkündigung des Evangeliums und Mission, oder Äußerung christlicher Daseinsgewissheit. Wo schaffen wir neue Begegnungsräume?

Der LG ist es wichtig, dass wir Projekte fördern, die sich nicht mit innerkirchlichen Problemen auseinandersetzen, sondern eine Außenwirkung haben und zwar im Blick auf Verkündigung in Wort und Tat und Seelsorge.

Unser Kerngeschäft läuft in den Kirchengemeinden. Motivierte gute Pfarrer, die authentisch und gern ihren Dienst tun und ein Gespür für die Menschen haben, sind vermutlich die beste Maßnahme zur Mitgliederbindung und Mitgliederorientierung. Alternative Zugänge, berufsbegleitende Pfarrerausbildung, das können Stützen in der Zukunft werden, die eine gute Versorgung und die Erreichbarkeit in der Fläche weiterhin gewährleisten. Der LG ist es wichtig, dass wir Projekte fördern, die sich nicht mit innerkirchlichen Problemen auseinandersetzten, sondern eine Außenwirkung haben und zwar im Blick auf Verkündigung in Wort und Tat und Seelsorge. Wir wollen, dass Menschen im Begegnungsraum Kirche nicht nur Beziehungen untereinander erleben können, sondern auch Beziehung mit Gott! Daher ist es wichtig Mission in den kommenden Jahren bewusst und stärker uns auf die Fahne zu schreiben. Der Antrag 35/18 nimmt dieses Anliegen auf: Mission in der Region. Verkündung und Seelsorge, das sind unsere Kernkompetenzen, dazu haben wir etwas zu sagen.

Gut, dass wir 600.000 € in die Verbesserung der Notfallseelsorge gesteckt haben.

Gut, dass wir den Kirchengemeinden wieder eine Sonderzuweisung von 7,5 Mio. und den um 4 % erhöhen Verteilbetrag zukommen lassen können.

Gut, dass in den Kirchengemeinden schon unheimlich viel läuft und Kirche sichtbar wird und Menschen sich einbringen und engagieren.

Wenn eintritt, was Dr. Kastrup und Michael Fritz prognostizieren, dann werden wir den Rotstift schneller zücken müssen, als uns lieb ist. Hoffentlich haben wir dann das Finanzwesen bereits umgestellt, alle Baumaßnahmen abgeschlossen, die Verwaltung neu organisiert und veganes Essen in der Synode. Dann brauchen wir nämlich alles Geld für unser Kerngeschäft und unseren Auftrag als Kirche.

Wir haben eine große Chance in der Gesellschaft Begegnungsräume zu schaffen, Menschen zu begleiten, Menschen von Gott zu erzählen, dem Grundbedürfnis des Menschen auf Beziehung einen Raum zu geben.

Unsere Hauptaufgabe ist nicht zu erkennen, was unklar in weiter Entfernung liegt, sondern zu tun, was klar vor uns liegt. (Thomas Carlyle)

Thomas Carlyle – ein schottischer Historiker – wird das Zitat zugeschrieben: Unsere Hauptaufgabe ist nicht zu erkennen, was unklar in weiter Entfernung liegt, sondern zu tun, was klar vor uns liegt.

Danke für die Aufmerksamkeit.

Michael Schneider, Jg. 1980, Pfarrer in Endersbach, seit 2013 Mitglied der Landessynode