Wie kommt die frohe Botschaft von Jesus Christus zu den Menschen? Diese Frage rückte im wissenschaftlichen Diskurs besonders durch den programmatischen Titel der „Kommunikation des Evangeliums“ (Ernst Lange) in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts immer mehr in den Mittelpunkt. Die Megatrends Globalisierung, Individualisierung, Säkularisierung und Digitalisierung treiben den tiefgreifenden Wandel der Gesellschaft voran. Heute ist die „Kommunikation des Evangeliums“ ein Schlüsselbegriff des praktisch-theologischen Diskurses.
Wie kann die Kirche die Lebenswelt der Menschen ausreichend berücksichtigen? Diese Frage wird mithilfe der soziokulturellen SINUS-Milieu-Forschung  von den Autoren des Buches rund um die Herausgeber Heinzpeter Hempelmann, Benjamin Schliesser, Corinna Schubert, Patrick Todjeras und Markus Weimer beleuchtet. Dabei reflektieren sie das weite Feld der unterschiedlichen Denk- und Lebensstile mit ihren Konsequenzen für die kirchliche Praxis.

Der erste Teil des Bandes erläutert den Begriff der „Kommunikation des Evangeliums“ und zeigt die Notwendigkeit einer Beschäftigung mit unterschiedlichen soziokulturellen Kontexten auf. Heinzpeter Hempelmann unterstreicht in seinem Beitrag, dass die Berücksichtigung von milieusensibler Kommunikation im theologischen Umfeld viel „Arbeit und Mühe“ bedeute, um (eigene) gedankliche Milieubarrieren zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken.

Insgesamt 8 Dimensionen haben die Autoren im zweiten Teil des Buches ausgemacht, in denen sich das Evangelium jeweils kommunizieren lässt: verbal, medial, temporal, lokal, performativ, personal, diakonisch und sinnlich. Diese Dimensionen werden nun von den Autoren für die jeweiligen Milieus durchdekliniert und kommentiert. So beschreibt Günther Frosch in seinem Beitrag etwa wie bereits die Formulierung von Einladungen und Texten bestimmte Zielgruppen abschrecken oder geradezu aktivieren kann. Auch Fragen wie der Raum der Kirche, die Uhrzeit des Gottesdienstes oder musikalische Vorlieben werden besprochen.
Für die kirchliche Realität vor Ort sind sicherlich die im dritten Teil ausführlich dargestellten Tabellen besonders relevant. Sie zeigen, wie die unterschiedlichen Milieus auf die Dimensionen der Kommunikation reagieren bzw. welche Chancen für die Verkündigung bestehen.
Nützliches Add-On: Corinna Schubert hat 20 farbige Grafiken erstellt, welche die Präferenzen und Abneigungen der zehn SINUS-Milieus mit Bezug auf Kommunikation visualisieren und sich für die Weiterarbeit in der Gemeinde oder im Dekanat gut eignen. Die Grafiken sind zusätzlich als Download verfügbar.

Fazit: Der nunmehr vierte Band der Reihe „Kirche und Milieu“ leistet einen wertvollen praktisch-theologischen Beitrag, der thematisch eine Brücke zwischen wissenschaftlicher Theologie und der konkreten kirchlichen Lebenswirklichkeit vor Ort. Ein absolut innovatives Buch, das mit seiner „Kategorienlehre“ für milieusensible Kommunikation hoffentlich auf den Tischen von Kirchenleitenden auf landeskirchlicher Ebene, aber auch in den Kirchenbezirken und einzelnen Gemeinden liegt und dort breit rezipiert wird!

Andreas Schmierer studiert Ev. Theologie (Tübingen) und ist Mitglied im Redaktionsteam der Zeitschrift „Lebendige Gemeinde“ sowie im Leitungskreis der ChristusBewegung.


Heinzpeter Hempelmann u. a. (Hg.): Handbuch Milieusensible Kommunikation des Evangeliums. Reflexionen, Dimensionen, praktische Umsetzungen, Vandenhoeck & Ruprecht 2020, ISBN: 978-3-525-70277-2. 25,00 Euro.