Auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Nürnberg war in einigen Formaten auch der inner-kirchliche Pietismus zu erleben: Wir sind etwa dankbar für den Gottesdienst, den drei Gemeinschafts-verbände gemeinsam veranstaltet haben, für den Christustag auf dem Kirchentag und viele Stände von Werken und Einrichtungen aus dem Raum des Pietismus auf dem Markt der Möglichkeiten. Darüber hinaus für viele wertvolle Podien, Bibelarbeiten, Konzerte und Begegnungsräume.

 

Die Abschlusspredigt von Pastor Quinton Ceasar hat zum Teil heftige Reaktionen ausgelöst. Darunter auch Hass, Diskriminierung und massive Bedrohungen bis hin zu Morddrohungen. Diese sind gänzlich unabhängig von der Bewertung inhaltlicher Aussagen in keiner Weise akzeptabel und aufs Schärfste zu verurteilen. Unterschiedliche Meinungen und Einsichten sind in gegenseitigem Respekt und Achtung ins Gespräch zu bringen.

 

Die Schlussansprache haben wir weitgehend weniger als Predigt, sondern mehr als eine politische Rede wahrgenommen, die ihrerseits gesellschaftlich polarisiert. Sie ist als Schrei nach Anerkennung für Menschen, die sich als ausgegrenzt und nicht angenommen wahrnehmen, aufmerksam zu hören. Rassismus und Diskriminierung haben in der Kirche keinen Platz. Zugleich wirft sie erhebliche biblisch-theologische Rückfragen auf, die viele Menschen im Raum der Kirche irritieren. Die biblischen Texte wurden einseitig interpretiert: Aus der angebrochenen Zeit des Heils wurde ein (kirchen-)politisches Aktionsprogramm. Die politische Zuspitzung „Gott ist queer“ kann als Aussage über das Wesen Gottes gehört werden und erscheint so als anmaßend. Von Gott kann weder gesagt werden, dass er ein Mann oder eine Frau sei, dass er hetero- oder homosexuell sei, noch dass er queer sei. Eine solche Identifikation erscheint als Instrumentalisierung Gottes für gesellschaftliche Zwecke. Dies halten wir, zumal in Verbindung mit äußerst provokativen Aussagen („Hey, lügt uns nicht an“), für einer Predigt nicht angemessen. Ausdrücklich teilen wir die Aufforderung, sich an Jesu Liebe festzukleben: „Jetzt ist die Zeit, um uns an die befreiende Liebe von Jesus zu kleben.“ Inklusion bleibt eine vorrangige Aufgabe für Kirchen und Gemeinden.

 

In sozialen Netzwerken wird aufgrund der Predigt zum Kirchenaustritt aufgefordert. Demgegenüber weisen wir daraufhin, dass der Kirchentag eine von den Gliedkirchen der EKD unabhängige Laienbewegung ist. Im Übrigen rechtfertigt keine noch so grundsätzliche Kritik an einer Predigt irgendeine Form von Häme oder Hetze.

 

Aus den Vorgängen können wir lernen: Wir werden als Kirche keine Zukunft gewinnen, wenn wir das Evangelium mit Wut- und Hassrede konterkarieren, mit kalkulierten Provokationen verzerren oder in kulturkämpferischem Gestus populistisch verfremden. Dies geschieht leider auf verschiedenen Seiten der politischen und kirchlichen Spektren immer wieder. Zukunft gewinnen wir als Kirche nur in dem Maße, wie wir auf Gottes Reden und aufeinander hören – und einander unseren Glauben und unsere Liebe glauben. Dafür braucht es Vertrauen, das immer neu wachsen muss.

 

Ausdrücklich begrüßen wir die auf dem Kirchentag beschlossene Resolution „Wertewandel in der Prostitutionsgesetzgebung“. Sie verfolgt das Anliegen, prostituierte Personen zu entkriminalisieren, Freier zu bestrafen und Ausstiege aus Prostitution und Menschenhandel zu unterstützen. Wir bitten die Bundesregierung, den Rat der EKD und das Diakonische Werk nachdrücklich darum, die Anliegen der Resolution aufzunehmen und umzusetzen.

 

Im Zusammenhang mit dem Kirchentag wurde auch dieses Jahr eine mögliche Beteiligung messianischer Juden diskutiert. Aus unserer Sicht hat sich der Kirchentag hier zurecht kritischen Rückfragen zu stellen. Diese sind allerdings nicht polemisch verkürzt, sondern behutsam und sachlich zu stellen. Ausdrücklich verweisen wir auf die klare und differenzierte Erklärung des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes vom September 2022.

16-6-2023
www.lebendige-gemeinde.de

Download: 2023-06-16-Notizen-aus-dem-Vorstand-der-CBLG-zum-Kirchentag-2023.pdf