Als messianischer Jude hat Anatoli Uschomirski natürlich eine ganz besondere Perspektive auf die große Rede Jesu. Gerade deshalb beschränkt sich der Autor auch auf den Anfang der Bergpredigt (Matthäus 5) sowie das Vaterunser.

In einem einleitenden Kapitel stellt der Autor die „Tora des Matthäus“ vor und skizziert dabei das Leben von Mose und Jesus mit bemerkenswerten Parallelen. Für den messianischen Juden ist klar, dass die Bergpredigt „eine Art Betriebsanleitung für hingegebene Jünger Jesu“ sei. Die Seligpreisungen erschließt der Autor, indem er den breiten Horizont der jüdischen Vorstellungswelt vor Augen malt, die den ersten Hörern der Bergpredigt unmittelbar durch den Kopf gegangen sein muss, wie etwa die Seligpreisung aus Psalm 1 oder den relational-geprägten Begriff der alttestamentlichen Gerechtigkeit.

Beeindruckt hat mich auch, wie im Alten Testament mit Trauernden umgegangen wird. So wird in Hesekiel 9 beschrieben, dass den Trauernden ein Zeichen (den hebräischen Buchstaben Taw) auf die Stirn gezeichnet werden sollte. Zurzeit Hesekiels wurde das Taw in Form eines Kreuzes geschrieben. Die Verbindung zur Rettung durch Jesus ist offensichtlich.
Uschomirski hat viele Detailbeobachtungen und Anmerkungen aus der jüdischen Literatur in seinem Buch kompakt aufgenommen und lässt die Bergpredigt ganz neu glänzen, wenn er etwa die Bedeutung vom „Salz der Erde“ erklärt. Wichtig ist ihm auch, dass die Tora – die oftmals mit dem negativ konnotierten Begriff Gesetz in Verbindung gebracht wird – „die von Liebe getragene Weisung eines Vaters und keine Sammlung von Rechtsnormen“ darstellt. Vielmehr zeige sich in ihr der Charakter und die Liebe Gottes.

Fazit: Die Bergpredigt bleibt für mich herausfordernd, auch nach der Lektüre des Buches – und doch habe ich einen neuen Blick und Ermutigung aus diesen Worten Jesu bekommen.  Auslegungen zur Bergpredigt gibt es sicherlich wie Sand am Meer. Anatoli Uschomirskis Buch ist dabei wie eine kostbare Muschel am Strand und lädt zur näheren Beschäftigung mit dieser zentralen Rede von Jesus ein!

Andreas Schmierer studiert Ev. Theologie (Tübingen) und ist Mitglied im Redaktionsteam der Zeitschrift „Lebendige Gemeinde“ sowie im Leitungskreis der ChristusBewegung.


Anatoli Uschomirski: Die Bergpredigt aus jüdischer Sicht. Was Juden und Christen gemeinsam von Jesus lernen können, erschienen bei: SCM Hänssler. ISBN: 978-3-7751-6000-1 – 15,99 Euro. https://www.scm-shop.de/die-bergpredigt-aus-juedischer-sicht.html