Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Dr. Kastrup, liebe Synodale,

ich darf Ihnen, Herr Dr. Kastrup, und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Namen des Gesprächskreises Lebendige Gemeinde für die Vorlage der Mittelfristigen Finanzplanung danken, mit der Sie uns eine solide Grundlage über die Entwicklung der kirchlichen Finanzen und Investitionen geben. Vielen Dank!

Dazu die Rückmeldung aus der Lebendigen Gemeinde in 5 kurzen Punkten.

1. Mitgliederentwicklung

Mit Recht weisen  Sie auf die Bedeutung der Mitgliederentwicklung auf die Entwicklung der kirchlichen Finanzen hin. Dahinter verbirgt sich jedoch nicht nur ein finanzielles Problem. Es zeigt ein theologisches oder noch deutlicher gesagt ein existenzielles Problem für unsere Kirche. Wenn die Freiburger Studie, die wir gestern diskutiert haben, davon ausgeht, dass das Tauf-, Austritts- und Aufnahmeverhalten von Kirchenmitgliedern einen sehr großen Einfluss auf die Mitgliedergewinnung hat, dann haben wir ein Vermittlungsproblem unserer Botschaft. Viele unserer Zeitgenossen haben den Eindruck, dass die Botschaft des Evangeliums nicht mehr für ihr Leben relevant ist. Nicht ohne Grund ist diese Erkenntnis für Bischof Marx ein Aufruf zur Mission.

Andere Kirchen, die noch viel massiver von diesem Relevanzverlust des Evangeliums betroffen sind – wie etwa die Church of England – haben eine grundlegende Veränderung ihrer Perspektive als Kirche vollzogen. Sie haben die Mission priorisiert und dadurch negative Trends umgekehrt, neue Initiativen entwickelt, Kirche neu entdeckt und Gemeinden neu gegründet. Langfristig müssen auch wir über ganz neue Szenarien nachdenken.

Die Kommunikation des Evangeliums in vielfältiger Gestalt hat deshalb für die Lebendige Gemeinde Priorität. Wir sind dankbar, dass die Sondermittel für neue Aufbrüche bereitstehen und hoffen, dass in einem Zwischenbericht die Vergabe dieser Mittel evaluiert wird. Wir sind dankbar für die 1 Mio. Euro, die für die Autobahnkirche Sindelfinger Wald eingestellt sind und hoffen, dass die Umsetzung endlich vorwärtsgeht. So kann das Evangelium relevant für unsere mobilen Zeitgenossen werden. Ich bitte darum, von einer Autobahnkirche zu sprechen. Eine Kapelle (wie etwa an der A6) passt nicht auf einen so großen Parkplatz mit Raststätte wie beim Sindelfinger Wald.

2. Lebensrelevante und milieusensible Arbeit

Es ist deshalb zukunftsweisend, dass Angebote der Missionarischen Dienste gefördert werden, die gezielt in die Ansprache von jungen Erwachsenen fließen, um sie für den christlichen Glauben zu begeistern. Dies ist eine nachhaltige Mitgliederbegleitung und entspricht dem Auftrag der Kirche. Wenn dies milieusensibel und in Orientierung an den Lebenswelten geschieht, dann wirkt dies wirklich nachhaltig.

Die Landeskirche hat dies durch die Herausgabe der Milieuhandbücher zur Taufe und zur Bestattung sehr gefördert. Die Bücher zählen zu dem Besten, was es zurzeit dazu gibt und erscheinen nicht ohne Grund in 2. Auflage. Andere Landeskirchen greifen dies inzwischen auf. Ein weiteres Handbuch unter dem Titel „Kommunikation des Evangeliums“ wird erscheinen. Es überrascht nun, dass sich davon nichts in den Unterlagen zur Mittelfristplanung findet. Wird dies nicht mehr gefördert? Wir denken, dass es dringend nötig ist, in diesen Fragen weiter dranzubleiben.

In diesem Zusammenhang wäre zu bedenken, ob der Ausdruck „Mitgliederbindung“ wirklich passt. Menschen wollen nicht gebunden werden. Sie wollen gewonnen oder begeistert werden.

3. Gemeinden Spielräume für eigene Schwerpunkte geben

Eine Vereinfachung und Verstetigung der Zuweisungsbeträge können wir nur unterstreichen. Dies bedeutet, den Gemeinden größere Spielräume zu geben, wie mit den Zuweisungen umgegangen wird. Die Vielfalt der Kirchengemeinden in Württemberg legt einen flexiblen Umgang mit den Zuweisungen nahe. Im Blick auf die zukünftige Entwicklung der Landeskirche wird der Dynamik der Gemeinden vor Ort eine große Bedeutung zukommen. Die höchste Priorität sollten deshalb Zuweisungen haben, die Gemeinden in ihrem eigen verantworteten diakonischem und missionarischem Wirken stärkt. Ich möchte deshalb beantragen, den ordentlichen Verteilbetrag an die Gemeinden im Haushaltsjahr 2020 auf 4 % zu erhören. Dies legt sich durch die gute Finanzlage nahe. Wir brauchen Innovation und Verlässlichkeit, auch wenn wir wissen, dass wir uns an eine jährliche Erhöhung in dieser Größenordnung nicht gewöhnen dürfen.

Viel entscheidender ist, dass dadurch in den Gemeinden tatsächlich ein Impuls zu Innovation und neuen Wegen ankommt. Viele, die sich auf den Pfarrberuf vorbereiten oder in den ersten Amtsjahren sind, wollen wissen, ob und wie Kirche Zukunft hat und welche Spielräume da sind, um sich mit ihren spezifischen Begabungen und Ideen einzubringen.

4. Stärkung des Ausgleichsstocks

Die Lebendige Gemeinde unterstützt die Stärkung des Ausgleichsstocks mit insgesamt 24. Mio. € zur Sanierung von Kirchen. Die Kirchengebäude sind ein besonderer Schatz unserer Landeskirche. Bei einem Großteil unserer Mitglieder sind sie mit deren persönlichem und geistlichem Leben eng verbunden: Taufe, Konfirmation, Hochzeit. Wir brauchen die traditionellen Ortsgemeinden mit ihren Kirchen genauso wie neue Aufbrüche und neue Gemeindeformen. Aber es gilt auch hier: Es gibt keine Lösung für alle. Es braucht Beratung und Ermutigung vor Ort, um den jeweils zukunftsweisenden Weg zu gehen. Er kann auch darin bestehen, eine Kirche aufzugeben.

5. Verlängerung der Flüchtlingsarbeit

Es steht für uns außer Frage, dass Gott uns die Sorge für die Geflüchteten aufs Herz und vor die Füße gelegt hat. Unsere Finanzen sind hier gut angelegt. Wir bitten jedoch dringend darum, die synodale Vereinbarung, dass 50% der Mittel den Geflüchteten und Notleidenden in den Herkunftsländern zugutekommen sollen, zu beachten und umzusetzen. Vielen Dank, dass dies inzwischen im Blick ist. Wir können es uns nicht vorstellen was die große Zahl der Geflüchteten für die Länder in den Flüchtlingsregionen bedeutet. Etwa wenn im Libanon, der über 1 Mio. Geflüchtete aufgenommen hat, jeder 6. Einwohner ein Flüchtling ist. Bei allem Verständnis für die Aufgaben im Württembergischen Kontext bitten wir sehr darum, die Region der Herkunftsländer nicht aus dem Blick zu verlieren.

Und nun bringe ich meinen Antrag ein:

Antrag zu TOP 20 Mittelfristige Finanzplanung 2019 bis 2023

Die Landessynode möge beschließen, im Haushaltjahr 2020

den ordentlichen Verteilbetrag an die Kirchengemeinden nicht um 3 %, sondern um 4 % zu erhöhen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!