Gott versorgt

Dieses Buch vom früheren Landesbischof Gerhard Maier ist die profilierte Autobiografie eines dankbaren und hoffnungsvollen Pietisten, der keine theologischen Auseinandersetzungen scheut. Im Untertitel beschreibt der Autor seine Reflektionen als „Streifzüge“ durch sein Leben. Ein bewegtes Leben, auf das der studierte Jurist, promovierte Theologe, vielfache Autor und Herausgeber von Bibelkommentaren zurückblicken kann. Gerhard Maier plaudert dabei aus dem Nähkästchen: auch, wie er auf Umwegen Landesbischof wurde, so manche Synodaldebatte mitbestimmte und sich in den wechselhaften Situationen seines Lebens immer von Gottes Fürsorge getragen wusste.

Von 1973 bis 1995 war er als Studienleiter und später auch Rektor im Albrecht-Bengel-Haus tätig. Während dieser Zeit veröffentlichte er auch seine international weit beachtete „Biblische Hermeneutik“, die ihm so manche Kontroverse einbrachte. Die Herausforderungen für die Evangelische Kirche sieht er auch heute noch darin: „Wenn der Pietismus sein Flussbett noch weiter von allen wichtigen Fragen der Bibelauslegung entfernt sucht, wird er das Schicksal des Lop Nor erfahren.“ [Wichtige Anmerkung: Der Lop Nor ist ein Salzsee in China, der austrocknete, weil es keinen Zufluss mehr gab.]

Mit Blick auf die Ausrichtung des Bengel-Hauses schreibt er: „Unsere Orientierungspunkte blieben das Bibelvertrauen der alten Kirchenväter, das Sola Scriptura der Reformation und der wissenschaftliche Pietismus.“ (132) Beim Lesen seiner Autobiographie spürt man Maier diese zwei Dinge zugleich ab: seine Liebe für das Wort Gott und zugleich sein wissenschaftliches Interesse – beides für ihn kein Widerspruch.  So bleibt mir im Gedächtnis, wie er berichtet, dass ihm sein Großvater in jungen Jahren noch von Ereignissen des 19. Jahrhunderts erzählt hat. Maier schließt daraus: „Eine Familienerinnerung wird also bis zu 150 Jahren aufbewahrt. Und da soll man bei der Niederschrift der Evangelien, vielleicht 30 oder 40 Jahre nach der Kreuzigung, von Jesus nichts Genaueres mehr gewusst haben?“ (18)

Zahlreiche Reisen zu Vorträgen und Besuchen von Missionswerken weltweit hat Maier während seines langen Dienstes gemeinsam mit seiner Frau Gudrun unternommen. Auch von ihnen berichtet Maier mit kurzweiligen Anekdoten. Als Student des Albrecht-Bengel-Hauses habe ich nebenbei nochmal viel Neues über das Studienhaus und seinen Werdegang in den Entstehungsjahren sowie das ambivalente Verhältnis zur Tübinger Fakultät erfahren.

Fazit: Eine beeindruckende Persönlichkeit und ein absolut lesenswertes Buch mit vielen persönlichen Erfahrungen zur Geschichte des Pietismus im 20. und 21. Jahrhundert.

Andreas Schmierer
Theologiestudent und Mitglied im Redaktionsteam „Lebendige Gemeinde“, Tübingen

SCM Hänssler – ISBN: 978-3-7751-5915-9 – 17,99 Euro