Dekan Ralf Albrecht, Nagold

Es war die Entscheidung der Woche – mit weitreichendsten Folgen! Das EU-Parlament hat den §13 (inzwischen §17) der EU-Urheberrechtsreform beschlossen. Der Uploadfilter im Internet soll kommen.

Was steckt dahinter?

Zunächst zwei gute Gründe. Zum einen der Versuch, das geistige Eigentum von Künstlerinnen und Künstlern zu schützen. Gut so! Was Kreative erfunden haben, gehört ihnen auch. Musikalisch, malerisch, textlich. Und noch ein Grund für dieses Gesetz ist ehrenwert: endlich den ganz großen Konzernen und ihrer Art, ohne eigene Lizenzzahlungen eine Unmenge Geld zu machen, an den Kragen zu gehen. Richtig. Du sollst nicht stehlen.
Doch jetzt kommt es: Wie so oft wurde aus guten Gründen ein großer Unfug begangen. Denn es wurde ein Gesetz beraten, das diese Schwierigkeiten im weltweiten Netz mit Uploadfiltern beheben soll. Letzte verzweifelte Versuche, hier noch was im Parlament an Änderungen einzubringen, wurden mit ganz knapper Mehrheit kategorisch abgelehnt. Und dann eine Urheberrechtsreform beschlossen, die zwei Dinge eben nicht erledigt. Erstens: Sie schützt nicht letztlich die Künstlerinnen und Künstler – und sie zieht – zweitens –  letztlich nicht die großen Internetverdiener zur Rechenschaft, denn die sind bereits dabei, ihre riesengroßen juristischen Abteilungen und ihre Programmierer damit zu beschäftigen, dies alles zu umgehen.
Nun aber das, was passieren wird, wenn nicht noch im landesweiten Bereich hier nachgesteuert wird: Millionen Nutzerinnen und Nutzer von Internetplattformen werden in ihrer Freiheit, Inhalte zu verarbeiten, massivst eingeschränkt. Und zur Rechenschaft gezogen.
Wohlgemerkt: Hier geht es nicht um geistiges, musikalisches, künstlerisches zu bezahlendes Eigentum, da muss man engere Grenzen setzen. In den Grauzonen und Grauseiten der Film- und Serienguckerei, der Musiktitelklauerei und des allzu laxen Umgangs mit textlichem Eigentum gehört eingegriffen, solange es kommerziell weiterverwendet wird und nicht privat.
Sondern es wird anders kommen, wenn wir nicht zur Besinnung kommen: die großen schwarzen internetklauenden Schafe werden frei ausgehen – und die Abermillionen Nutzer werden ihre Freiheit zur Meinungsäußerung verlieren. Sie werden in ihrer Kreativität beschnitten, in diesem virtuellen Lebensraum sich so zu bewegen, wie sie es inzwischen gewohnt sind. Und sie werden Filtern ausgesetzt sein, die Unfassbares können werden.

Denn das ist der eigentliche Skandal: Durch diesen Beschluss ist im Prinzip auch Zensur möglich. Und hier  beginnt es endgültig für uns als Christen und Kirche hochbrisant zu werden.

Was, wenn es dann auf einmal auf Grund von scheinbaren gedanklichen Eigentumsfragen eine Uploadzensur unserer Inhalte gibt? Wenn bestimmte hochverbreitete, berührende Evangeliumsverkündigung im Netz gestoppt wird, weil da ein Bild, ein Musiklink, ein Spruch nicht rechtlich abgesichert ist?
Das Netz kann sehr gut gebraucht und elend missbraucht werden. Wir brauchen es – und Jugendliche und junge Erwachsene brauchen es wie eigentlich alle Generationen – zur Kommunikation, zur Präsentation, zur Weiterentwicklung von Ideen und zur freien Äußerung von Meinung. Gerade die Religionsfreiheit im Netz ist ein sehr hohes, schützenswertes Gut.
Also: weg mit allem Anschein der Zensur. Weg mit allem, was die Meinungsfreiheit und Kreativität der Netznutzer einschränkt. Vorgehen gegen Rechtediebstahl ja. Aber Internetgängelung? Nein. Und auf ein wirksames Mittel, um Großkonzerne des Internet auch zur Kasse zu bitten, anstatt sie maßlos verdienen zu lassen, warten wir leider weiter.
Nun ist diese EU-Urheberrechtreform noch nicht in ihrer deutschen Anpassung in Kraft. Das geht noch was. Und Freiheit im Netz und zum Hochladen im Netz ohne Zensurfilter muss bleiben.
Das, meine ich, müssen wir Christen so aussprechen. Denn die Evangeliumsverkündigung gehört filterfrei überall hin, auch ins Internet. Klar: die gute Botschaft von Jesus macht immer ihren Weg, auch weltweit im Netz. Aber wir wollen dafür einstehen: ohne Filter!

Ralf Albrecht,
Vorsitzender der Lebendigen Gemeinde und Mitglied der Digitalisierungsgruppe der Ev. Landeskirche in Württemberg