Lange, lange Jahre beschäftigt uns in Württemberg die Debatte: Sind wir als Kirche dazu beauftragt und ermächtigt, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen? Für die Lebendige Gemeinde waren und sind immer drei Gesichtspunkte leitend, die wir je zu 100 % bejahen und verfolgen.

  1. Die Treue vom vorgegebenen biblischen Wort und reformatorischen Bekenntnis, das sich nach unserer Auffassung durchgehend zur Einzigartigkeit der auf das ganze Leben angelegten Ehebeziehung zwischen Mann und Frau bekennt.
  2. Die uneingeschränkte Ablehnung jeder Form von Diskriminierung gleichgeschlechtlich Empfindender in unserer Kirche und unseren Gemeinden. Differenzierung ja, aber keine Diskriminierung, sondern gelebte Willkommenskultur.
  3. Das synodale Ringen um einen gemeinsamen Weg in unserer Kirche und das Aushalten unterschiedlichster, einander eigentlich ausschließender Positionen. Wir bemühen uns intensiv, geduldig, klar in der Sache, verständnisvoll in Hören und Auftritt darum, die vorgegebene Einheit der Kirche zu wahren und zu gestalten, gerade auf dem synodalen Weg: „miteinander unterwegs“.

Diese drei Grundthesen haben uns immer geleitet, und sie werden uns weiter bei allen weiteren Entwicklungen leiten. Auf ihrem Hintergrund haben wir als LG die Linie der Kirche mitgestaltet – und tun dies weiter.

Nun wurde durch Einbringung im November 2018 in die Synode und intensive Diskussion in den Ausschüssen ein neuer Entwurf durch den Bischof ins Spiel gebracht. Worin bestehen aus Sicht der LG die Stärken des in den Ausschüssen diskutierten und überarbeiteten in die Frühjahrssynode 2019 eingebrachten neuen Entwurfs?

  1. In einer „Präambel“ (Artikel 1) hält der Entwurf das Dilemma unserer Kirche offen fest: verschiedene Schriftverständnisse stehen sich unvereinbar gegenüber. Wir als LG sind an die Schrift und damit die Einzigartigkeit der Ehe von Mann und Frau als auf lebenslange Gemeinschaft angelegt gebunden – und können auch nicht andere Auslegungen als gleicherweise angemessene Auslegung der Schrift anerkennen. Wir respektieren sie aber in der einen gemeinsamen Landeskirche.
  2. Die Regel ist und bleibt die nichtöffentliche seelsorgerliche Begleitung gleichgeschlechtlicher Paare. Die seitherige Regelung wird als Regel ausdrücklich festgehalten und anerkannt. Dies ist für uns als Lebendige Gemeinde ein wesentlicher Punkt. Wir halten damit etwas fest, was für uns unumstößlich entscheidend ist. Einer anderen Form eines Entwurfs, der diese Grundregelung nicht festhält, könnten wir nicht zustimmen.
  3. Es ist nicht auf alle Fälle jede Gemeinde „von unten“ und vor Ort damit befasst, sondern die Befassung geschieht auf Initiative des Oberkirchenrats (OKR) hin – Initiativrecht des OKR.
  4. Der Entwurf nimmt unseren Einwand ernst, keine neue Amtshandlung zu erzeugen. Es handelt sich jetzt um keinen kasualen Gottesdienst – eine Eintragung in ein eigenes „Amtshandlungs-Register“ ist nicht vorgesehen.
  5. Dieser Gottesdienst folgt keiner landeskirchenweiten Agende, sondern nur als Teil der jeweils vor Ort eigenen angepassten Gottesdienstordnung.

Selbstverständlich hat auch dieser Entwurf aus Sicht der LG seine Schwierigkeiten – die wir hiermit nochmals markieren:

  1. Es handelt sich bei der nach dem Regel-Werk im nächsten Schritt beschriebenen „Ausnahme“ um einen öffentlichen Gottesdienst mit Segnungsteil – allerdings mit der deutlichen theologischen Unterscheidung: die einzelnen Menschen werden gesegnet, nicht das Miteinander, nicht der „Bund“. „Bund“ – das bleibt die Ehe zwischen Mann und Frau.
  2. Das vom OKR ausgehende Initiativrecht lässt recht viele Gemeinden zu (bis zu 25 % der Gemeinden unserer Landeskirche).

Nun hat dieser Entwurf eine Zweidrittelmehrheit gefunden. Auch aus den Reihen der LG gab es Zustimmung. Einige haben dem Gesetz zugestimmt, um Ordnung herzustellen. Andere sahen die Einheit der Kirche gefährdet. Etliche haben diesen Vorschlag entschieden abgelehnt. Der Gesprächskreis Lebendige Gemeinde trägt die jeweilige Entscheidung des anderen in geschwisterlicher Einheit und gegenseitigem Respekt mit.

In jedem Fall jedoch gilt: Der LG ist es zu verdanken, dass in ihm die Regel festgehalten bleibt (nichtöffentliche Begleitung in der Seelsorge), dass es keine landesweit eingeführte Gottesdienstagende zur kirchlichen Segnung gibt und somit der volle Gewissensschutz für Pfarrerinnen und Pfarrer sowie andere Berufsgruppen besteht, die eine öffentliche kirchliche Segnung nicht mit ihrem biblisch gebundenen Gewissen vereinbaren können.

Zudem müssen sich Gemeinden nicht von sich aus mit dieser Frage befassen, sondern die Kirchenleitung wird initiativ. Die LG nimmt beschwert zur Kenntnis, dass in unserer Landeskirche unüberbrückbare theologische Grundverständnisse der Schriftauslegung beheimatet sind. In der Gesamtverantwortung für die Kirche sieht die LG ihre Aufgabe darin, hier miteinander weiter zu ringen, Kirche auf biblischen und Bekenntnis-Grundlagen miteinander zu gestalten und für unsere Sicht der Dinge offensiv weiter einzutreten. Dazu fordern wir auch alle anderen auf.

Ralf Albrecht / Rainer Holweger