Frühjahrstagung der Synode

Bis hierher und viel weiter – viele hochinteressante und spannungsreiche Themen prägten die Tagung der Landessynode im März 2019. Und bereits im Auftaktgottesdienst ging Maike Sachs (LG) auf diese Spannungen ein, die uns bewegen. Sie erzählte von den Herausforderungen für Christen auf der ganzen Welt, besonders derer in Bedrängnis, und führte im Blick auf die weltweite Gemeinschaft der Glaubenden aus: „Wo Menschen fest im Glauben stehen, leben andere auf. Der lebendige HERR wird sichtbar im anderen. Wir leben voneinander – weltweit. […] In Zeiten großer Herausforderungen tut es gut, sich vom Christusvertrauen anderer anstecken zu lassen.“

Im Vertrauen auf diesen Christus tagte, entschied, rang gemeinsam von Donnerstag 21.03. bis Samstag 23.03. das Kirchenparlament im Hospitalhof Stuttgart.

Bericht des Landesbischofs: „Nach Europa berufen“

Ausgehend von Apostelgeschichte 16 und dem Ruf des Paulus nach Europa entfaltete Landesbischof Dr. July die Rolle und Aufgabe der Kirchen in Europa. Die Botschaft des Evangeliums gehört nach Europa, das ist der Blick der Christen auf diesen Kontinent. Bischof July fragte besorgt: Was ist aus diesem Europa geworden? Europa werde zum Teil kleinmütig und blockierend. Das Erbe und die Verträge sagten anderes. Die Wahrung der Menschenrechte und damit die Würde des Einzelnen sei Wertegerüst der EU.

Der Landesbischof bezog entschieden Stellung gegen jede Form von in Europa neu aufkommendem Antisemitismus. Dies sei vom aktuellen Streit um politische Einzelentscheidungen Israels zu unterscheiden. Ein solcher Diskurs sei nötig. Es sei aber in keinem Moment hinnehmbar, wenn in diesem Zusammenhang das Existenzrecht Israels in Frage gestellt wird.

Europa müsse eine Werte-, keine reine Wirtschaftsgemeinschaft sein. Kirche sehe diese Wertegemeinschaft in der Grundlage begründet, dass der Mensch Ebenbild Gottes ist. Ein soziales Europa gehöre zum Leitbild von Kirche, und sie werde das in Diakonie und Gesellschaft auch so aktiv einbringen.

Die EU sei ein einzigartiges Friedensprojekt. Und Christen trügen dazu entscheidend bei, denn sie lebten von der Zusage „Christus ist unser Friede“, die durch das, was Christus am Kreuz getan habe, geschenkt sei. Wie wichtig waren und sind z. B. die Netzwerke, die die geistlichen Gemeinschaften „Miteinander für Europa“ aufgebaut haben: Die verschiedenen Kongresse – bis hin zur bewegenden Versöhnungszeremonie in München auf dem Stachus 2016.

Im Votum des Gesprächskreises sprach sich Philippus Maier dafür aus, den Gottesbezug in die europäische Verfassung aufzunehmen. Aufgabe der Kirche sei es, das Evangelium in Europa laut werden zu lassen. Wie können Menschen in Europa heute neu mit dem Evangelium in Berührung kommen? Es brauche kein Europa der Gewinn- und Lustmaximierung, sondern des Verzichts und der Selbstbeschränkung. Maier sprach sich gegen jede Form des Antisemitismus aus und schloss hierbei auch die Solidarität mit der Gruppe der messianischen Juden ausdrücklich ein.

Kirchliche Segnung?

Lange, lange Jahre beschäftigt uns in Württemberg die Debatte: Sind wir als Kirche dazu beauftragt und ermächtigt, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen?

Für die Lebendige Gemeinde waren und sind immer drei Gesichtspunkte leitend, die wir je zu 100 % bejahen und verfolgen.

  1. Die Treue vom vorgegebenen biblischen Wort und reformatorischen Bekenntnis, das sich nach unserer Auffassung durchgehend zur Einzigartigkeit der auf das ganze Leben angelegten Ehebeziehung zwischen Mann und Frau bekennt.
  2. Die uneingeschränkte Ablehnung jeder Form von Diskriminierung gleichgeschlechtlich Empfindender in unserer Kirche und unseren Gemeinden. Differenzierung ja, aber keine Diskriminierung, sondern gelebte Willkommenskultur.
  3. Das synodale Ringen um einen gemeinsamen Weg in unserer Kirche und das Aushalten unterschiedlichster, einander eigentlich ausschließender Positionen. Wir bemühen uns intensiv, geduldig, klar in der Sache, verständnisvoll in Hören und Auftritt darum, die vorgegebene Einheit der Kirche zu wahren und zu gestalten, gerade auf dem synodalen Weg: „miteinander unterwegs“.

Diese drei Grundthesen haben uns immer geleitet, und sie werden uns weiter bei allen weiteren Entwicklungen leiten. Auf ihrem Hintergrund haben wir als LG die Linie der Kirche mitgestaltet – und tun dies weiter.

Nun wurde durch Einbringung im November 2018 in die Synode und intensive Diskussion in den Ausschüssen ein neuer Entwurf durch den Bischof ins Spiel gebracht.

Worin bestehen aus Sicht der LG die Stärken des in den Ausschüssen diskutierten und überarbeiteten in die Frühjahrssynode 2019 eingebrachten neuen Entwurfs?

  1. In einer „Präambel“ (Artikel 1) hält der Entwurf das Dilemma unserer Kirche offen fest: verschiedene Schriftverständnisse stehen sich unvereinbar gegenüber. Wir als LG sind an die Schrift und damit die Einzigartigkeit der Ehe von Mann und Frau als auf lebenslange Gemeinschaft angelegt gebunden – und können auch nicht andere Auslegungen als gleicherweise angemessene Auslegung der Schrift anerkennen. Wir respektieren sie aber in der einen gemeinsamen Landeskirche.
  2. Die Regel ist und bleibt die nichtöffentliche seelsorgerliche Begleitung gleichgeschlechtlicher Paare. Die seitherige Regelung wird als Regel ausdrücklich festgehalten und anerkannt. Dies ist für uns als Lebendige Gemeinde ein wesentlicher Punkt. Wir halten damit etwas fest, was für uns unumstößlich entscheidend ist. Einer anderen Form eines Entwurfs, der diese Grundregelung nicht festhält, könnten wir nicht zustimmen.
  3. Es ist nicht auf alle Fälle jede Gemeinde „von unten“ und vor Ort damit befasst, sondern die Befassung geschieht auf Initiative des Oberkirchenrats (OKR) hin – Initiativrecht des OKR.
  4. Der Entwurf nimmt unseren Einwand ernst, keine neue Amtshandlung zu erzeugen. Es handelt sich jetzt um keinen kasualen Gottesdienst – eine Eintragung in ein eigenes „Amtshandlungs-Register“ ist nicht vorgesehen.
  5. Dieser Gottesdienst folgt keiner landeskirchenweiten Agende, sondern nur als Teil der jeweils vor Ort eigenen angepassten Gottesdienstordnung.

Selbstverständlich hat auch dieser Entwurf aus Sicht der LG seine Schwierigkeiten – die wir hiermit nochmals markieren:

  1. Es handelt sich bei der nach dem Regel-Werk im nächsten Schritt beschriebenen „Ausnahme“ um einen öffentlichen Gottesdienst mit Segnungsteil – allerdings mit der deutlichen theologischen Unterscheidung: die einzelnen Menschen werden gesegnet, nicht das Miteinander, nicht der „Bund“. „Bund“ – das bleibt die Ehe zwischen Mann und Frau.
  2. Das vom OKR ausgehende Initiativrecht lässt recht viele Gemeinden zu (bis zu 25 % der Gemeinden unserer Landeskirche).

Nun hat dieser Entwurf eine Zweidrittelmehrheit gefunden. Auch aus den Reihen der LG gab es Zustimmung. Einige haben dem Gesetz zugestimmt, um Ordnung herzustellen. Andere sahen die Einheit der Kirche gefährdet. Etliche haben diesen Vorschlag entschieden abgelehnt. Innerhalb des Gesprächskreises Lebendige Gemeinde wird die jeweilige Entscheidung des anderen in geschwisterlicher Einheit und gegenseitigem Respekt mitgetragen.

In jedem Fall jedoch gilt: Der Lebendigen Gemeinde ist es zu verdanken, dass in ihm die Regel festgehalten bleibt (nichtöffentliche Begleitung in der Seelsorge), dass es keine landesweit eingeführte Gottesdienstagende zur kirchlichen Segnung gibt und somit der volle Gewissensschutz für Pfarrerinnen und Pfarrer sowie andere Berufsgruppen besteht, die eine öffentliche kirchliche Segnung nicht mit ihrem biblisch gebundenen Gewissen vereinbaren können. Zudem müssen sich Gemeinden nicht von sich aus mit dieser Frage befassen, sondern die Kirchenleitung wird initiativ. Die LG nimmt beschwert zur Kenntnis, dass in unserer Landeskirche unüberbrückbare theologische Grundverständnisse der Schriftauslegung beheimatet sind. In der Gesamtverantwortung für die Kirche sieht die LG ihre Aufgabe darin, hier miteinander weiter zu ringen, Kirche auf biblischen und Bekenntnis-Grundlagen miteinander zu gestalten und für unsere Sicht der Dinge offensiv weiter einzutreten. Dazu fordern wir auch alle anderen auf.

Personale Gemeinden in Kirchenbezirken

In der Landessynode wurde ein neues Gesetz eingebracht, das eine neue Angebotsform des Zusammenlebens evangelischer Christen in Gemeindeformen und Gottesdiensten ermöglicht.

Dies liegt vor allem im städtischen Bereich daran, dass wir mit unseren traditionellen parochialen Gemeinden bestimmte Milieus vorrangig erreichen – andere Milieus bleiben stärker außen vor. Im Blick bei dieser neuen Form von Gemeinde sind vor allem neue Aufbrüche, die oft as sehr vitale Gruppen beginnen und sich mit der Zeit strukturell verfestigen. Diese Gruppierungen streben Gemeindestatus an – und die Frage ist, wie man ihnen zum einen übergemeindlichen, regionalen Status verleiht und zum anderen Anbindungen an die Kirche vor Ort sichert. Die angemessene Ebene der Anbindung soll dabei der Kirchenbezirk sein. Eine personale Gemeinde wird dort entstehen, wo Entwicklungen der Eigenständigkeit weit fortgeschritten sind. Es gehören ihr eine größere Anzahl von Gemeindegliedern an (ab ca. 150). Sie wählen einen „Personalgemeinderat“. Und Gastmitgliedschaft in einer solchen Personalgemeinde ist möglich.

Matthias Hanßmann betonte für die LG, dass diese Form von Gemeinde eine konsequente Ergänzung dessen sei, was in der Synode schon angeschoben wurde: die Projektpfarrstelle für innovatives Handeln und neue Aufbrüche sowie die den Regionen zur Verfügung gestellten Finanzmittel für Innovation und neue Aufbrüche.

Jetzt sei es möglich, eine Vergemeinschaftung neuer Aufbrüche so zu unterstützen.

Weiteres in Stichworten:

  • Die Lebendige Gemeinde stellte einen wegweisenden Antrag, der mehr jungen Leuten ermöglichen kann, das Vikariat familienfreundlich zu gestalten, in dem die Elternzeitregelungen flexibler gehandhabt werden. 50% Vikariat soll möglich werden.
  • Die Landessynode hat in Folge des Schwerpunkttages „Geistlich leiten – geleitet durch den Heiligen Geist“ im Sommer 2018 Geld zur Verfügung gestellt, dass Kirchengemeinderatsgremien finanzielle Unterstützung bekommen für KGR-Klausuren. Diese sollen gerade zu Beginn der neuen Gremienzeit nach der Kirchenwahl zum Thema „Geistlich leiten“ stattfinden.

Andrea Bleher / Ute Mayer / Ralf Albrecht