von Prisca Steeb, Tübingen

Sehr geehrter Herr Landesbischof July, Herr Werner, Herr Präsident, liebe Mitsynodale!

Wenn ich auf diversen Plattformen ein Urlaubsfoto poste, habe ich in kürzester Zeit mehr als 100 Likes. Poste ich, dass ich auf der Landessynode bin und wir wieder einmal äußerst spannende Themen auf der Tagesordnung haben, dann kommt es zu 6 Likes zu diesem Beitrag, und alle Personen, die hier diesen Like-Button drücken, sitzen hier unter uns. (Heiterkeit) Ich möchte gern dieses Beispiel nutzen, um eine These aufzustellen, nämlich folgende: Wir drehen uns viel zu sehr um uns und beschäftigen uns viel zu sehr mit uns selber. Die Themen, die wir hier als so spannend empfinden, finden keinerlei Interesse außerhalb dieser Mauern. Wie nehmen die Menschen uns als Kirche überhaupt wahr, außerhalb dieser Mauern?

Vielen Dank für ihren Bericht zur Strategischen Planung, in dem viele Punkte genannt worden sind, die aktiv in die Gesellschaft, die zu den Menschen wirken sollen. Sehr erfreut hat mich vor allem der immer wieder vorkommende Fokus auf das Wesentliche, nämlich auf den Auftrag der Kirche. Gerne möchte ich jedoch einige Punkte hier noch unterstreichen und auch kritisch anmerken.

Meiner Meinung nach arbeiten wir immer noch viel zu sehr binnenkirchlich. Wir kommen zu wenig aus unserer Komfortzone heraus. Ich war schon auf wunderbar schönen Zusammenkünften und Empfängen im Zusammenhang mit der Synode, aber wirklich junge Menschen, die ja eigentlich die Zukunft unserer Kirche sind, habe ich wenig gesehen. Vielleicht sind solche Formen nicht so das, was dran ist, vielleicht eine Ansage für mangelndes Interesse an solchen Veranstaltungen?

Das Bedürfnis nach Spiritualität steigt in der Gesellschaft und ist eigentlich enorm hoch, Pilgern ist so beliebt wie nie, aber unsere Kirche scheint darauf keine Antwort zu haben.

Das Bedürfnis nach Spiritualität steigt in der Gesellschaft und ist eigentlich enorm hoch, Pilgern ist so beliebt wie nie, aber unsere Kirche scheint darauf keine Antwort zu haben. Wir wollen in die Gesellschaft hineinwirken, das wurde auch in Ihrem Bericht sehr deutlich. Deshalb ist auch unser Antrag zu den Missionszentren, den wir als Lebendige Gemeinde gestellt haben, kein Lobbyantrag, nur weil er von uns kommt, sondern einer, der wirklich dem Kernauftrag unserer Kirche und unserer Botschaft entspricht. Gelebter Glaube zeigt sich nicht nur im diakonischen Wirken, sondern auch im missionarischen Wirken! Vom Glauben reden sollte doch unser Fokus als Kirche sein! Wo sind allerdings die jungen Menschen hier mit hineingenommen, die eben doch auch hier noch einmal ganz andere Ansichten zu einigen Punkten haben. Wo ist ihr Mitbestimmungsrecht, wo liefern wir Freiräume, dass junge Menschen ihren Glauben auf ihre manchmal ganz andere Art leben und weitergeben können?

Kürzlich habe ich mich mit ein paar ehemaligen Klassenkameraden getroffen. Dann ging es natürlich auch um das Thema Kirchenaustritte. Es war das erste Mal für uns, dass wir ein volles Gehalt bekommen, und dann merkt man, man ist ja noch Mitglied in der Kirche und hat Kirchensteuer zu zahlen. Den Pfarrern unter Ihnen wird das keine Neuigkeit sein, dass eine gesagt hat, ich warte noch bis ich verheiratet bin. Allerdings habe ich sie kürzlich wieder getroffen, und sie erzählte mir, dass sie nur durch Zufall über einen Bekannten nun in einer Band in der Kirchengemeinde spielt und sich dort auch wahnsinnig wohl fühlt, Kirchenaustritt war jetzt bei ihr kein Thema mehr, auch nicht innerhalb unseres Gesprächs.

Dort, wo Beziehung da ist – das haben wir ja auch schon zuhauf hier besprochen –, wächst Kirche. Und da möchte ich weiter einhaken. Die Ehrenamtlichen kommen mir in der strategischen Planung immer noch zu kurz. Zunächst bin ich der festen Überzeugung, dass unsere Kirche vor allem, neben den ganzen Hauptamtlichen, von Ehrenamtlichen getragen wird, genau durch solche Mitarbeit wird Zugehörigkeit geschaffen, die auch über schwere Phasen tragen kann.

Zwei Beispiele dazu aus unterschiedlichen Kirchengemeinden: Ein Fachinformatiker arbeitet 11 Wochenstunden ehrenamtlich zusätzlich zu seiner Arbeitszeit. Ein dualer Student bei Daimler, der laut Vertrag eigentlich nur acht Stunden nebenberuflich arbeiten darf, bringt sich ebenfalls bis zu zehn Stunden wöchentlich im kirchlichen Ehrenamt ein. Ehrenamtliche fangen dann an, ehrenamtlich zu arbeiten, wenn sie nach ihrem Feierabend zu Hause ankommen. Lassen Sie uns das bitte nicht vergessen, auch nicht bei dem gutgemeinten schwäbischen „Könntest du da vielleicht noch gschwind eine Andacht machen?“

Ich bin der Meinung, dass wir in unserem Veränderungsprozess die Ehrenamtlichen noch mehr einbeziehen müssen.

Ich bin der Meinung, dass wir in unserem Veränderungsprozess die Ehrenamtlichen noch mehr einbeziehen müssen. Wo werden sie mit hineingenommen? Natürlich geht es nicht darum, ihnen noch mehr Arbeit aufzubürden, sondern vor allem um die Perspektive. Bitte lassen Sie uns die Ehrenamtlichen viel mehr in den Blick nehmen! Erlauben Sie mir auch hier noch eine kurze Bemerkung: Wie viele von uns Synodalen sind denn eigentlich nicht im kirchlichen Dienst?

Vielen Dank, dass sie das Thema sexualisierte Gewalt mit aufgenommen haben. Ich denke, ich spreche für alle Synodalen, wenn ich sage, dass uns das Thema betroffen macht. Ich bin sehr dankbar dafür, was bereits an Prävention und Aufarbeitung in diesem Themengebiet schon läuft, vor allem auch schon seit mehreren Jahren. Vielleicht mag für den einen oder anderen das Jahr 2004 wie gestern vorkommen (In diesem Jahr wurde die Broschüre „Verantwortlich leben“ veröffentlicht. Ich war 2004 11 Jahre alt, und es ist gut und wichtig, dass wir hier weiter dran bleiben.

Ein weiterer Punkt, den ich kurz, aber nicht weniger bedeutsam positiv unterstreichen möchte: in der Wertediskussion Präsenz zeigen. Als Lehrerin hat mich natürlich der Ruf der Eltern nach mehr Wertevermittlung an den Schulen mit Freude erfüllt. Ich hoffe doch sehr, dass wir hier als Kirche wirklich Bildungspartner sind!

Meine Vision ist, dass egal, welchen Begriff ich zum Thema Familie in diverse Suchmaschinen eingebe, der erste Treffer auf ein kirchliches Angebot hinweist.

Nun zu einem letzten Punkt, den ich ansprechen möchte, Thema Digitalisierung: Zu recht wird in Ihrem Bericht angemerkt, dass eines der schwierigsten Herausforderungen die hohe Dynamik ist. Meine Vision ist, dass egal, welchen Begriff ich zum Thema Familie in diverse Suchmaschinen eingebe, der erste Treffer auf ein kirchliches Angebot hinweist. Ich wünsche mir, dass wir Menschen durch Präsenz, vor allem auch durch sogenannte Inlinks, also Querverweise auf andere Internetseiten, erreichen, die überhaupt nicht bewusst nach uns suchen, dass wir also in den Algorithmen der Suchmaschinen an Wichtigkeit gewinnen.

So nutzen wir meiner Meinung nach die Digitalisierung positiv für den Auftrag, nämlich die Digitalisierung zu nutzen, um vom Glauben zu reden und um Menschen zu erreichen!

Zuletzt: Am 01.01. kommt ja unsere neue Taufagende, und heute Morgen habe ich mir gedacht, wäre es nicht wunderbar, wenn ich heute nach meinem Smartphone greifen würde und nicht lauter Cyber-Monday-Angebote sähe, sondern überall eine Information über unser Taufverständnis.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Prisca Steeb, geb. 1993, studiert in Tübingen Evangelische Theologie und Chemie auf Lehramt und ist seit 2013 Landessynodale.

Das Votum bezieht sich auf die Strategische Planung des Oberkirchenrats