von Tobias Geiger, Pfarrer in Sielmingen

Frau Präsidentin, hohe Synode, Herr Oberkirchenrat Traub,

seit 55 Jahren wird der Sketch »Dinner for one« an Silvester im Fernsehen gezeigt. »Same procedure as every year – alles wie immer?« fragt der leicht trottelige Butler James die Dame des Hauses. Würdevoll antwortet Miss Sophie: »Jawohl, alles wie immer!« Der PfarrPlan-Prozess in Württemberg begann Ende der 90er Jahre und ist damit fast halb so alt wie »Dinner for one«. Viermal wurden unseren Bezirken und Gemein­den seither Struk­tur­debatten aufgetischt – haben sich die Verant­wort­lichen daran gewöhnt, regelmäßig Kürzungs­vorgaben schlu­cken zu müssen? »Same procedure as every year« – ist der PfarrPlan ein Ritual, das wir routi­niert hinter uns bringen?

Klare Antwort: Nein. Der aktuelle PfarrPlan-Prozess unter­scheidet sich deutlich von den Vorjahren. Das liegt zuerst daran, dass die Kürzung von 185 Dienstaufträgen etwa so groß ist wie 2006, 2011 und 2018 zusam­men. 13 Pro­zent Stel­lenabbau – das betrifft beinahe jede fünf­te Kirchen­gemeinde und ebenso die Pfarrkollegen, die künf­tig in Nach­barorten einen Dienstauftrag über­nehmen müs­sen.

Der PfarrPlan 2024 ist ein bitterer Kelch, der an kei­nem vorüber­geht.

Der PfarrPlan 2024 ist ein bitterer Kelch, der an kei­nem vorüber­geht. Wir haben unseren Gemein­den und Bezir­ken zu dan­ken, dass sie sich diesen Herausforderungen kon­struktiv stel­len. Wenn wir als Landes­synode unsere Beschlüsse fassen, dann fängt die Arbeit erst an. Dann sind Verbund­gemeinden zu gründen, mögliche Fusionen auszulo­ten, Dienstaufträge zu ändern, Seelsor­gebezirke neu einzu­teilen und Geschäfts­ordnungen aufzu­stellen. Wie gesagt, wir haben unseren Gemeinden und ihren Pfarrerin­nen und Pfar­rern zu danken, dass sie trotz gut gefüllter Kirchensteuer­kassen die Not­wendigkeit von Kür­zungen mittra­gen, dass sie über den eigenen Kirchturm hin­ausschauen, dass sie die Überschrift »zusammenwachsen« mit Leben fül­len.

Damit komme ich zu einem zweiten The­menfeld, mit dem sich der PfarrPlan 2024 von seinen Vor­gängern unterscheidet: Kom­munikation und Begleitung. Es hat sich gelohnt, im Vorfeld breit zu informie­ren und eine Agentur hinzuzuziehen. Es hilft weiter, dass wir mit der Ver­bundkirchen­gemeinde eine neue Kooperationsmöglichkeit haben. Es ist gut, dass mit dem Projekt SPI multiprofessio­nelle Teams zur Bera­tung zur Ver­fügung stehen. Und es wird vor Ort wahrgenom­men, dass die Landes­synode nicht nur Stellenstrei­chungen vorgibt, son­dern mit dem Strukturfonds einen finanziellen Spiel­raum eröffnet. Was wir im Blick auf Kommu­nikation und Beteili­gung angefangen haben, dürfen wir nicht wieder auf­geben – vielen Dank an alle, die hier mit­gearbei­tet haben, besonders Herr Oberkirchenrat Traub und Dezernat 3. Und noch sind Hausauf­gaben zu machen, wir stehen in der Bringschuld. Ich nenne das Flex-III-Paket, die Beauftragun­gen im Ruhestand, die Beset­zung von Sonder­pfarrstellen durch Menschen anderer Pro­fessionen, die fünf alternati­ven Zugänge pro Jahr.

Wir als Lebendige Gemeinde sind nach wie vor der Meinung, dass wir aus dem Universi­tätsstudium allein unseren Bedarf an Pfarrerin­nen und Pfar­rern nicht decken können. Pro­vokativ gefragt: Wie viele Vaka­turen nehmen wir in Kauf, bis wir uns als Landes­kirche an die­ser Stelle bewegen?

Wir als Lebendige Gemeinde sind nach wie vor der Meinung, dass wir aus dem Universi­tätsstudium allein unseren Bedarf an Pfarrerin­nen und Pfar­rern nicht decken können. Pro­vokativ gefragt: Wie viele Vaka­turen nehmen wir in Kauf, bis wir uns als Landes­kirche an die­ser Stelle bewegen? Oder müssen wir sogar über ein neu­es Berufsbild diskutieren, zum Beispiel einen evangeli­schen Pastoraltheologen im Angestelltenver­hältnis? Das altherge­brachte Berufsbeamtentum mit Pen­sions- und Beihilfe­ver­pflichtung für ein halbes Jahrhundert verhindert die Flexibili­tät, die wir eigentlich brauchen. Wir sollten uns als Synode hier keine Denkverbote auferlegen oder uns von Befürch­tungen im Blick auf Besitz­standswahrung leiten lassen.

Das altherge­brachte Berufsbeamtentum mit Pen­sions- und Beihilfe­ver­pflichtung für ein halbes Jahrhundert verhindert die Flexibili­tät, die wir eigentlich brauchen.

Es war bei einem Treffen der Pfarrergebetsbruderschaft. Die Kollegen berichteten, welche Gemeinden im Kirchenbezirk vom PfarrPlan betroffen sind. Ein Ruheständler hörte aufmerk­sam zu und sagte schließlich: »Viele Stellen, die jetzt zur Kür­zung anstehen, wurden erst vor 30 oder 40 Jahren geschaf­fen. Kann es sein, dass wir im Blick auf die Volks­kirche zu opti­mistisch waren?« Mein Dienstort Sielmingen gehört zu den betroffenen Ge­meinden, wir werden mit dem PfarrPlan 2024 wieder auf den Personalstand von 1992 kom­men, also sozu­sagen zurück in die Zukunft. Das ist kein Wachstum, wie wir es uns eigentlich wünschen. Und uns auf den Fildern geht es noch gut, in jedem Ort wird auch 2024 noch zumindest in einem Pfarrhaus das Licht brennen. Was ist mit den Kirchen­bezirken, in denen Kirchengemeinden ihr Pfarramt verlieren? Und wie soll das in sechs Jahren werden, wenn nach mensch­lichem Ermessen noch einmal gekürzt werden muss?

Der PfarrPlan lässt sich nicht administra­tiv verordnen, sondern ist eine theologische Her­ausforde­rung. Eine Her­ausforderung, das Pries­tertum aller Glauben­den zu buchstabieren.

Same procedure as every year – alles wie immer? Ich möchte folgende Erkenntnis festhalten: Der PfarrPlan lässt sich nicht administra­tiv verordnen, sondern ist eine theologische Her­ausforde­rung. Eine Her­ausforderung, das Pries­tertum aller Glauben­den zu buchstabieren. Eine Herausforderung, ehren­amtliche Mitarbeit nicht als Ersatz für wegfallende Pfarr­stellen einzuplanen, sondern als fundamentalen Bestandteil einer evange­liumsgemäßen Kirche zu ermöglichen und zu fördern (Klammer auf: Wann findet eigentlich der nächste Ehrenamts­kongress statt? – Klammer zu).  Der PfarrPlan ist eine Heraus­forderung, den Begriff Wachstum nicht zahlen­mäßig zu ver­stehen, sondern von Epheser 4 her zu denken – »wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus«. Eine Herausforderung, auch als kleiner werdende Kirche und Hoffnung und Zuversicht auszustrahlen, wie es Matthias Hanßmann im Blick auf unsere Partnerkirchen beschrieben hat. Wenn wir uns die­sen Herausforderun­gen stellen, dann wäre das eine gute Vorbe­rei­tung auf den Pfarr­Plan 2030.

Tobias Geiger, geb. 1967, ist Pfarrer in Sielmingen und seit 2013 Mitglied der Landessynode