Entscheidende Themen der Landessynode im Juli, die vom Donnerstag, 5. Juli bis Samstag, 7. Juli 2018 in Ulm tagte, waren dieses Mal die Mittelfristige Finanzplanung und der Schwerpunkttag zum Thema „Geistlich leiten“.

Grußwort der Ev.-Lutherische Kirche in Eritrea

Temesghen Zecharias (Generalsekretär der Ev.-Lutherischen Kirche in Eritrea) erzählte von einer inzwischen 152 Jahre jungen Geschichte der Kirche dort. Sie habe die Herausforderungen immer angenommen, um die Menschen in Eritrea mit dem Evangelium zu erreichen. Als ein ermutigendes Beispiel aus der Praxis nannte der Generalsekretär eine Initiative von drei Personen, die innerhalb von 15 Monaten auf 150 Leute angewachsen ist. Die Möglichkeiten sind groß, die Finanzen begrenzt. Die Ev.-Lutherische Kirche in Eritrea bietet eine sehr hilfreiche Struktur für Arme und Schwache vor Ort.

Geld als ein „Schirm“ der Kirche – Mittelfristige Finanzplanung

Finanzdezernent Oberkirchenrat Dr. Martin Kastrup beschrieb die Aufgabe kirchlicher Arbeit als ständigen Ausgleich zwischen Erinnerung an bleibende Werte und Aufnahme neuer Herausforderungen. Kurzfristige Änderungen seien einfach nicht ständig aufzunehmen: „Wir können nicht bei jeder Twitternachricht die Mittelfristige Finanzplanung neu schreiben.“

Derzeit ist die Kirchensteuerlage nicht nur wegen der Konjunktur stabil, sondern auch deshalb, weil die Gruppe der 45-62-Jährigen derzeit die größte Mitglieder-Altersgruppe in der Kirche ist. 78% der Kirchensteuer wird von 17% unserer Mitglieder entrichtet. Sehr viele sehr wohlhabende Leute halten in Württemberg ihrer Kirche die Treue – dafür sind wir sehr dankbar.

Michael Fritz, Vorsitzender des Finanzausschusses

Michael Fritz, Vorsitzender des Finanzausschusses

Große Schwerpunkte seien Digitalisierung, Verbesserung kirchlicher Kommunikationsstrukturen, Familienarbeit und die Modernisierung des kirchlichen Personalwesens.

Michael Fritz (Lebendige Gemeinde) als Vorsitzender des Finanzausschusses mahnte zur Vorsorge im Blick auf kommende, schwierigere Jahre. „Wir sind noch auf einer Flachetappe unterwegs – es gilt jetzt, die Kräfte zu sammeln für die kommende Bergetappe.“ Damit meinte Fritz besonders die sich langfristig durch den demografischen Wandel ergebenden rückgehenden Kirchensteuerbeiträge.

Im Votum für die „Lebendige Gemeinde“ fasste Dekan Ralf Albrecht zusammen: „Geld ist wie ein Schirm“ (Prediger 7,11-12). Er unterstrich wie wichtig es für die LG ist, dass im Bereich der Mittelfristigen Finanzplanung folgende Bereiche „beschirmt“ werden:
„Alle missionarischen Initiativen – Mitgliedergewinnung, wenn sie wirklich gewinnend ist, lädt Menschen, Christen zu werden und Christen zu bleiben, in Verbundenheit mit unserer Ev. Landeskirche. Beispielhaft dafür sind nicht nur die neuen Aufbrüche und die Berührungsflächen mit dem Buch der Bücher, die es in unserer Gesellschaft vermehrt geben muss, wie das Bibliorama. Beispielhaft ist die Digitalisierung. Und dort besonders die Verkündigung des Evangeliums im digitalen Raum. Weil das Evangelium dort hin muss, wo Menschen sich wie selbstverständlich ständig bewegen. In diese Räume.

Dekan Ralf Albrecht

Dekan Ralf Albrecht

Musik – gerade in ihrer ganzen Vielfalt in der Kirche. Kirchenmusik ist kein guter Ort für Kulturkämpfe, aber ein Ort, an dem Menschen direkt und zu Herzen gehend erleben, was es bedeutet, Gott und den Glauben an Jesus Christus zu erfahren.

Das Gesamtkatechumenat – von Anfang an, von absolut klein auf, Menschen mit hineinzunehmen in eine ganze Biografie des Glaubens. Die Unterstützung von Ehe und Familie, die zusätzlichen Finanzmittel für die Kindergartenarbeit. Und der ganz besondere Einsatz für Jugendliche und junge Erwachsene in unserem Jugendwerk, und eben auch in den freien Werken und Verbänden, die wie CVJM, Apis, Aidlingen, EC, Christusbund … viele, viele intensive Anstrengungen unternehmen, um Jugendliche auf dem Weg des Glaubens zu begleiten. Ihnen allen gilt unser besonderer Dank.“

„Geistlich leiten – vom Geist geleitet“ – Schwerpunkttag

In Dialog-Bibelarbeit und Schwerpunktreferat beschäftigte sich die Synode mit der Frage nach geistlicher Leitung. Was prägt und trägt uns als Synode, Kirche, Gemeinden über unsere Tagesordnungen, Pläne, Finanzmöglichkeiten und Tagesgeschäft hinaus? In der Arbeit, in den Beratungen und Prozessen mittendrin fragen wir nach geistlichen Dimensionen.

Einführend brachten uns Pfr. Thomas Maier und PD Dr. Christina aus der Au auf die Spur von Psalm 36: Unser Leben im Licht von Gottes Güte.

Prof. Reiner Knieling und Pfarrerin Isabel Hartmann nahmen die Synodalen auf einen Weg, wie geistliche Leitung eingeübt werden kann. Verschiedene Impulse dazu:

  • In unserem Arbeiten macht es nur Sinn, immer wieder neu im Namen Gottes unterwegs zu sein, da wir erst im Rückblick wissen werden, was fruchtbar sein wird. So können wir an unterschiedlichsten Orten großzügig sein.
  • Der Geist Gottes ist „Parakletos“ – Unterstützer. Geistlich leiten heißt, auf Gottes Unterstützung zu vertrauen. Das hat in Leitungsverantwortung etwas sehr Erlösendes. Gottes Gegenwart wirkt sich unterstützend aus in Sitzungen, auch in der Zeit zwischen Andacht und Schluss-Segens-Gebet.
  • Der Geist Gottes ist zugleich Sachverständiger, Experte – er führt in alle Wahrheit und bringt uns in Kontakt mit der unverstellten Wirklichkeit, frei von Horrorszenarien.

Knieling und Hartmann beschrieben die geistliche Leitung in kirchlichen Gremien als Unterwegssein in komplexem Gelände. Lösungen sind nicht erkennbar, es geht durch chaotische Phasen, und die noch nicht erlebte Zukunft macht Angst. Wir können eigentlich nicht mehr steuern, es wird vieles scheinbar zufällig. Die geistliche Herausforderung ist, die Unsicherheit auszuhalten.

Gleichzeitig sprechen Daten, Zahlen, Fakten eine deutliche Sprache. Was tun? Aussitzen? Neues erschließen? Um gemeinsames Vorgehen werben?

Leitfrage könnte sein: „Welche Sehnsucht lebt in uns für diese Kirche? Wofür ist Energie da, wofür auch nicht?“ So wird auf einen geistlichen Vertiefungsweg hin geleitet.

Als anschauliches Bild wurde vor Augen gestellt, dass wir auf unserem Weg die Taschenlampe ausknipsen sollten, um dann in durchaus nächtlicher Zeit sich an Dunkel zu gewöhnen und danach die Sterne am nachtklaren Himmel besser zu sehen.

Am Nachmittag auf dem Münsterplatz beim „Speakers‘ Corner“ gab es Redeplätze für geistliche Gemeinschaften und ihren Blick auf unsere Kirche. Mit einem gemeinsamen Abendmahlsgottesdienst mit vielfältigen geistlichen Stationen im Ulmer Münster sowie einer Dialogpredigt von Landesbischof July und Synodalpräsidentin Schneider endete der Schwerpunkttag.

Ermöglichung neuer Gemeindeformen

Die Synode nahm die Gemeinden in den Blick, zu denen sich sehr viele Kirchenmitglieder ummelden. Die Landessynode beschloss mit großer Mehrheit eine Empfehlung, dass solche Kirchengemeinden mit Kirchensteuerzuweisung in den Kirchenbezirken besonders berücksichtigt werden.

Ein Thema, das schon mehrfach in verschiedenen Ausschüssen beraten worden war zur adäquaten Einbindung nichtparochialer Aufbruchsinitiativen und Gemeindeformen in die Landeskirche und Innovative missionarische Strukturen soll in eine Erprobungsphase gehen.  „Der Oberkirchenrat wird gebeten, mittels eines Strukturerprobungsgesetzes nichtparochiale Gemeindeformen über die bisher angewandten Strukturmodelle hinweg zu ermöglichen und zu fördern. Hierfür ist eine Gesetzesvorlage zu erarbeiten und durch die Landessynode zu beschließen. Insbesondere folgende Maßnahmen sollen erprobt werden:

  1. Gemeindeform:

Die Landeskirche erprobt nichtparochiale Gemeindeformen durch Bildung privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Körperschaften. Dabei sollen gemeindebildende Initiativen auf allen Ebenen niederschwellig gefördert, begleitet und landeskirchlich ein- und angebunden werden. Bis zu 15 Erprobungsgemeinden sollen in dieser Form gegründet und landeskirchlich zusammengefasst, vernetzt, interdisziplinär begleitet (theologisch, betriebswirtschaftlich, soziologisch) und evaluiert werden.

  1. Zusammenwirken mit bisherigen Gemeindeformen:

Unbeschadet bisheriger kirchengemeindlicher Strukturen sind neue Strukturen so zu schaffen, dass sie einerseits Menschen gewinnen, anderseits nicht zu Gemeindekonflikten führt. Beides muss gewollt werden: Stetigkeit und Innovation („Mixed economy“). Nichtparochiale Gemeinden sollen sich daher selbstständig ordnen und verwalten, und doch gleichzeitig in einem solidarischen Miteinander in das landeskirchliche Gefüge eingebunden werden.

  1. Mitgliedschaft:

Mitglieder in privatrechtlicher, kirchenrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Körperschaften (überparochialer Gemeindeformen) zählen als Mitglieder der Evangelischen Landeskirche. Durch die Taufe oder durch Bekundung zur Mitgliedschaft in der nichtparochialen Gemeinde werden sie Mitglied der Evangelischen Landeskirche. Generell soll in diesem Zusammenhang über niederschwellige Kirchenmitgliedschaftsformen von Kirchennichtmitgliedern nachgedacht werden.“

Weitere Dimensionen sind die Fragen nach Ordnungen, Personal, Immobilien, Finanzen uvm.

Dorothee Knappenberger

Dorothee Knappenberger

Dorothee Knappenberger warb für die Lebendige Gemeinde für die neuen Aufbrüche: „Es gibt sie, die Pioniere. Wir brauchen diese Menschen, die vorangehen und andere inspirieren.“ Und Hans Veit bekräftigte: „Wir lösen damit nicht das alte System ab, sondern es wird ergänzt.“

Der weitgehende Antrag wurde an den Rechtsausschuss unter Beteiligung des Theol. Ausschusses und des Strukturausschusses verwiesen und soll in der Herbstsynode 2018 abgestimmt werden.

Weiteres in Stichworten:

  • Im Rahmen des Berichts zum „Aktionsplan Inklusion“ warnte Oberkirchenrat Kaufmann davor, dass die pränatale Untersuchung auf evtl. Behinderungen auf Dauer das vorgeburtliche Leben entscheidend verändere, wenn es so komme, dass eine solche Untersuchung durch Krankenkassen vollfinanziert werde. Es werde in einem solchen Fall dazu kommen, dass vorgeburtlich werdendes Leben in zwei Klassen eingeteilt werde – das habe mit Inklusion nichts zu tun.
  • Die „Lebendige Gemeinde“ brachte einen Antrag ein, „Kompetenzzentren für Mission in der Region“ in den Kirchenbezirken einzurichten und zu fördern.
  • In der „Aktuellen Stunde“ bekräftigten Synodale der Lebendigen Gemeinde den Auftrag des Evangeliums, Menschen anzunehmen und aufzunehmen, die auf der Flucht sind. Franziska Stocker-Schwarz erinnerte: „Wie wir Menschen auf der Flucht begegnen, gehört zu den innersten Kriterien dessen, wie wir unser Christsein leben. Nächstenliebe verpflichtet und steht im Einklang mit Freiheit und Sicherheit. Einen Menschen aufzunehmen und sein Leben zu retten, ist ein göttliches Gebot. Wer könnte Menschen ertrinken lassen?“ Beispielhaft für die Möglichkeit, die Fluchtursachen vor Ort zu verringern, nannte sie die ehrenamtlichen Freiwilligenorganisationen und besonders die Württ. Arbeitsgemeinschaft für Weltmission mit ihren Hilfen vor Ort.
  • Zur Koordination der wichtigen Frage der Notfallseelsorge wird für drei Jahre eine Projektstelle eingerichtet.
  • Zur Entlastung der finanziellen und verwaltungstechnischen Herausforderungen kirchlicher Kindergartenarbeit werden für die insgesamt 843 Kindertagesstätten in evangelischer Hand und ihren ca. 2000 Gruppen wurde eine finanzielle Unterstützung beschlossen, mit denen ca. 20 Stellen geschaffen werden können, die Verwaltungsstellen und darüber hinaus kirchliche Kindergärten unterstützen werden. Werner Trick: „Die Kindergartenarbeit wird in Zukunft noch wichtiger werden in einer Gesellschaft, die nach Werten ruft. Und es wird auch wichtig sein, unser evangelisches Profil zu stärken und die religionspädagogische Arbeit zu vertiefen.“ Und Ralf Albrecht ergänzte: „Wir entlasten die stark eingebundenen Pfarrämter, wir stärken Qualitätsoffensiven. Und an vielen Stellen ist Pilot-Motivation entscheidend: neue Schritte in der Vernetzung zur Kindertagespflege, in der Ermöglichung von übergeordneten Trägerstrukturen, in einer neuen Qualitäts-Offensive im Blick auf die Religionspädagogik.“
  • Zum 1. Advent tritt vorübergehend die erste Reihe des neuen Perikopengesetzes der EKD in Kraft. Somit sind im Jahr 2018/2019 die Bibeltexte der 1. Reihe der Perikopenrevision der EKD zu predigen, ehe zum 1. Advent 2019 dann die komplette Revision – dann vollständig beraten und überarbeitet – auf Württemberg angepasst zu gelten beginnt.

Bericht: Andrea Bleher / Ute Mayer / Ralf Albrecht

Weitere Informationen finden Sie auf den Seiten der Evangelischen Landeskirche in Württemberg zur Sommersynode.