Rolf Scheffbuch, früherer Prälat in Ulm und langjähriger Vorsitzender der Ludwig-Hofacker-Vereinigung, schrieb in seinem letzten Buch „Allein Jesus Christus, der Gekreuzigte“ einen Abschnitt (S. 96ff.) über das Kreuz von Golgatha als „Fanal Gottes“. Wir veröffentlichen diesen Auszug mit freundlicher Genehmigung des SCM Hänssler-Verlages.

Das Kreuz – ein Fanal Gottes

Unsere Welt kennt Fanale. Die Doppeltürme des World Trade Center waren ein hoch aufragendes Fanal hochgemuten amerikanischen Selbstbewusstseins, auch ein Fanal westlichen wirtschaftlichen Überlegenheitsgefühls. Dann aber haben die Attentate vom 11. September 2001 die zusammenstürzenden Wolkenkratzer-Türme zum Fanal auf die westliche Welt gemacht, zum Fanal amerikanischer Verwundbarkeit.

Die Explosionswolken über Fukushimas Kraftwerks-Türmen sind zum Fanal einer aus dem Ruder laufenden Atompolitik geworden. Das Fukushima-Drama hat weltweit die erschrockene Umkehr ausgelöst, die zuvor durch keine noch so wissenschaftlich erhärteten Bedenken, durch keine Proteste, keine Demonstrationen und Ängste in die Gänge gebracht werden konnte.

In unserer Welt gab es auch Gottes-Fanale, also Flammenzeichen Gottes. Etwa den Torso des von Gott gestoppten vermessenen Turmbaus von Babel. Oder auch das Flammenzeichen des zerstörten Jerusalems, in dem Gott drastisch wahr machte: Wer mir konstant den Rücken zukehrt, dem kann auch ich den Rücken zukehren (vgl. Jer 2,27 ff. und 18,17)!

All diese Fanale Gottes sind aber anders als das Fanal des Kreuzes von Golgatha. Der Marterpfahl des gekreuzigten Jesus ist von Gott zum Fanal göttlicher Geduld geworden. Gott kann auf Umkehr warten. Der gekreuzigte Jesus hat alle Gleichgültigkeit erduldet, alle Feindschaft, allen Hass, allen billigen Spott. Jesus hat sich zur Zielscheibe allen Gotteshasses machen lassen. Er hat sich von Menschen fertigmachen lassen, ohne dagegen aufzubegehren. In einem Spiritual heißt es eindrücklich:

„They crucified my Lord and he did’ nt say a mumblin’ word, not a word, not a word!“ (Sie kreuzigten meinen Herrn, und er sagte noch nicht einmal murmelnd ein Wort!)

Gott dagegen hat sich zu Wort gemeldet. Gegen alles menschliche Urteilen: „Weg mit diesem Jesus“ hat er erneut und eindringlich seine Einladung gesetzt:“ Kommt heim zu diesem Jesus“ (vgl. Apg 3,14f,26)!

Durch die Hilfe des Geistes Gottes kann das Kreuz von Jesus zum Fanal dafür werden, dass die Sache des Christus Gottes noch keineswegs an ihr Ende gekommen ist. Gerade den gekreuzigten Jesus will Gott auch den Menschen unserer Tage hinhalten: zum Aufwachen, zum Umkehren, zum Umdenken, zum Neudenken, zum Herauskommen aus dem sicheren Abgleiten ins Verderben, zum Neuwerden. Und zum ewigen Heimkommen zu Gott – mit Jesus!

Gott hat die Passion von Jesus benützt. Er hat sie umgemodelt (vgl. Jer 18,1ff.) in eine rettende Aktion. Menschen aller Couleur hatten damals ihr Nein zu Jesus festgezurrt. Jesus hat es sich gefallen lassen. Aber Gott hat in der Auferweckung von Jesus souverän dagegengesetzt: Der, den ihr für so unnötig erachtet, den ihr abstoßt, den ihr loswerden wollt, der ist auch für euch der Wichtigste; den gebe ich euch zurück! Was Jesus erleidend auf sich genommen hat, das hat Gott aktiv zum Heil für Menschen umgewandelt – für erlösungsbedürftige Menschen, für der Vergebung bedürftige Menschen, für eines Bundes mit Gott bedürftige Menschen, für eine Menschenwelt, für die Gott das auf de Eckstein Jesus gebaute Reich Gottes vorgesehen hat.

Der Apostel Paulus hat geradezu klassisch diese Aktion Gottes herausgestellt, als er mutig bekannte: „Der Gott Abrahams und Isaaks und Jakobs, der Gott unserer Väter, hat seinen Knecht Jesus verherrlicht, den ihr überantwortet und verleugnet habt vor Pilatus, als der ihn loslassen wollte. Ihr aber habt den Heiligen und Gerechten verleugnet und darum gebeten, dass man euch den Mörder schenke; aber den Fürsten des Lebens habt ihr getötet. Den hat Gott auferweckt von den Toten; dessen sind wir Zeugen. … Für euch zuerst hat Gott seinen Knecht Jesus erweckt und hat ihn zu euch gesandt, euch zu segnen, dass ein jeder sich bekehre von seiner Bosheit“ (Apg 3,13 ff.26).

Der gekreuzigte Jesus ist nicht nur dazu da, dass Menschen an ihm scheitern und schuldig werden, sondern es soll vor allem bei vielen zum Geweckt-Werden, zum „Auferstehen“ kommen.

Rolf Scheffbuch: Allein Jesus Christus, der Gekreuzigte, © 2013 SCM Hänssler in der SCM Verlagsgruppe GmbH, D-71088 Holzgerlingen (www.scm-haenssler.de)