Winterbach. „Das war ein Abend, der Lust macht auf Kirche. Und ein Abend der Lust macht auf Kirchenwahl“, so Pfarrer Joachim Scheuber aus Winterbach am Ende des Vortrags von Pfarrer Rainer Köpf im voll besetzten ev. Gemeindehaus. „Ein absolut inspirierender Abend, ohne Klagen und Jammern, dafür mit ermutigenden Erlebnissen aus einer Region, wo gerade mal 12 Prozent der Einwohner noch einer christlichen Kirche angehören.“ Rainer Köpf tritt an als Theologe für die nächste Synodalwahl am 1. Dezember 2019. Mit ihm zusammen noch zwei Laien-Kandidaten: Christoph Müller und Jugendreferent Christoph Reith. Die innerkirchliche Bewegung „Lebendige Gemeinde“ hatte zu dem Abend eingeladen.

„Was tun, wenn Christen nur eine kleine Minderheit sind?“ Auf diese Situation traf Pfarrer Köpf während seines Kontaktstudiensemesters in Greifswald. Die Kirche im Osten Deutschlands – was können wir von ihr lernen? sein Thema des Abends. Rainer Köpf berichtet über seine Zeit dort im letzten Jahr und über neue Aufbrüche in einzelnen Gemeinden – inspiriert von Ideen zur Gemeindeentwicklung des dortigen Theologieprofessors Michael Herbst. Dass wenige Menschen viel bewirken können, haben die Menschen der früheren DDR immer wieder gezeigt – insbesondere mit ihren Montagsgebeten, aus denen vor 30 Jahren schließlich eine friedliche Revolution und der Fall der Mauer hervorging.

Ein Zeltgottesdienst mit mehreren Raucherpausen? In einer kirchlichen Veranstaltung bei Greifswald gehörte das schon mal zur herzlichen Gastfreundschaft für Nachbarn aus einem Plattenbau, die der Einladung gefolgt waren. Echte Wertschätzung und Achtung gegenüber Andersdenkenden und Anderslebenden und viel Liebe und Zeit für und mit Menschen in schwierigen Lebenslagen sind ein wichtiger Schlüssel für die Kirche der Zukunft. Dazu der vereinte Wille, Bewährtes zu erhalten und Neues zu wagen. Solch eine Haltung wünschen sich Pfarrer Köpf und seine zwei Mit-Kandidaten Müller und Reith für das Miteinander in der Vielfalt der Volkskirche. Alle drei freuen sich darüber, dass sich in den Gemeinden Menschen aus sehr verschiedenen Prägungen und theologischen Meinungen engagieren und auch zur Wahl antreten. Württemberg ist die einzige Landeskirche, in der jedes Kirchenmitglied ab 14 Jahren die Kirchenleitung selbst wählen kann. „Ihr Jungen, nützt diese einmalige Gelegenheit, etwas in der Kirche zu bewegen!“ so die Ermunterung.

Rainer Köpf, Gemeindepfarrer in Beutelsbach, liegen die Themen Kirche und Kultur am Herzen. Er war auch in der Flüchtlingsarbeit aktiv und bringt Fachwissen mit für Strukturfragen und den Pfarrplan. Sowohl Stetiges und Bewährtes als auch ein „Spielbein“ für Freiheit und Neues seien für die Kirche nötig – „wie bei einem Hybridmotor“. Pfarrer Köpf ist in einer Metzgerfamilie groß geworden und möchte sein Ohr ganz nah bei den Leuten haben. Er ist gefragt als Fachmann für Martin Luther und reformatorisch-lutherische Theologie sowie als Biograph über Paul Gerhardt. Bekannt und beliebt sind landauf landab seine humorvollen Luther-Abende zusammen mit seiner Frau. Köpf setzt sich gern mal ans Klavier oder nimmt sein Akkordeon in die Hand, um Menschen zum Singen zu ermuntern und die schönen Seiten des Lebens zu entdecken. So wie auch an diesem Vortragsabend, wo er zusammen mit Christoph Reith und dessen Gitarre neue und alte Lieder mit den Gästen anstimmte.

Christoph Müller aus Winterbach, Referent im Württembergischen Christusbund, wuchs in der früheren DDR auf, engagierte sich dort als Dozent des Bibelseminars Falkenberg und bringt Erfahrungen einer bedrängten Kirche in der Minderheit mit.  Er kennt schwierige Lebensverhältnisse im äußersten Osten der neuen Bundesländer und wünscht sich von der Kirche ein großes soziales Engagement gegen die neue Armut. „Sie soll dem Beispiel von Jesus folgen und verstärkt zu Mitmenschen hingehen, die aus dem Blick geraten sind.“ Dazu gehören für ihn auch Menschen mit Behinderungen, Geflüchtete und vor allem die ältere Generation mit ihren besonderen Herausforderungen.

Den jungen Familienvater Christoph Reith, der aus Heubach stammt, kennen viele unter dem Spitznamen „Bolle“. Er ist Jugendreferent im CVJM und der ev. Kirchengemeinde Winterbach. Reith macht selbst Rock- und Popmusik, unter anderem hat er den „Remsrock“ ins Leben gerufen, liebt Jesus Christus und Lobpreismusik für Gott, Fußball, den VfB und will in der Kirche eine Stimme für die Jugend und für junge Familien sein. Er setzt sich für frische neue Formen in Gottesdienst und Gemeinde ein und für ein Miteinander der Generationen.

Die „ChristusBewegung Lebendige Gemeinde“ ist ein breites Netzwerk innerhalb der Evangelischen Landeskirche in Württemberg aus Kirchengemeinden, Jugend-, Gemeinschaftsverbänden und freien Werken. In der Synode unterstützt sie den gleichnamigen Gesprächskreis. Eine wichtige Aufgabe sieht sie in der Stärkung der Ortsgemeinden und neuer Aufbrüche aus der Basis. Sie möchte Menschen helfen, Jesus Christus kennenzulernen und wieder Heimat in der Kirche zu finden. Dafür braucht es auch eine größere Beteiligung der jungen Generation. In der Landessynode sind deshalb entsprechende Initiativen eingebracht worden: Die Pop-Ausbildung für Kirchenmusiker bekam einen größeren Stellenwert und Pfarrämter sollen mehr von Verwaltung entlastet werden, Kirchenbezirke erhielten mehr Freiräume für neue Ideen durch finanzielle und personelle Unterstützung. Der Zugang zum Pfarrberuf wurde erleichtert. „Die Kirche muss vor Ort ein Gesicht haben und bei den Leuten sein – auch bei weniger werdenden Pfarrstellen und Kirchenmitgliedern“, wünscht sich Pfarrer Köpf.