Stuttgart/Nagold (idea) – Die direkte Wahl der württembergischen Synodalen durch die Kirchenmitglieder hat sich in den 150 Jahren der Geschichte des Kirchenparlaments bewährt. „Das ist genial, basisdemokratischer geht es nicht“, sagte der Vorsitzende der dortigen „ChristusBewegung Lebendige Gemeinde“, Dekan Ralf Albrecht (Nagold), gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Die Evangelische Landeskirche in Württemberg feiert das 150-jährige Bestehen der Synode mit einem Festakt am 17. Februar in der Stuttgarter Stiftskirche. „Wir haben eine wunderbare direkte Demokratie, in der die Synodalen repräsentativ das Kirchenvolk vertreten.“ Das Modell sei vorbildhaft für andere Landeskirchen, auch weil mehr Ehrenamtliche als hauptamtliche Theologen vertreten sind. Albrecht gehört auch zur Leitung des Gesprächskreises „Lebendige Gemeinde“, der 43 theologisch konservative Synodale umfasst. Daneben gibt es die liberale Gruppe „Offene Kirche“ (32 Mitglieder) sowie die Gruppen „Evangelium und Kirche“ (14 Mitglieder) und „Kirche für morgen“ (7), die eine Position der Mitte vertreten. Laut Albrecht ist der Einfluss der konservativen Christen in den 90er Jahren zurückgegangen, hat aber in den vergangenen Jahren wieder zugenommen.

Kontroverse Diskussionen als „Normalfall“

Der Vorsitzende der ChristusBewegung „Lebendige Gemeinde“, Dekan Ralf Albrecht. Foto: privat

Die Gesprächskreise spielen laut Albrecht vor allem bei den „ganz großen Entscheidungen“ eine Rolle. Die Diskussion um die Segnung oder Trauung gleichgeschlechtlicher Partner seit 2017 könne man, so Albrecht, durchaus als „Belastungsprobe“ bezeichnen. Die Synode diskutiert, in Ausnahmefällen öffentliche Gottesdienste anlässlich der Trauung homosexueller Partner zuzulassen. Allerdings soll die Begleitung schwuler und lesbischer Partner wie bisher „in der Regel“ in der Seelsorge erfolgen. Gesegnet werden sollen die Ehepartner, nicht die Partnerschaft. Für diese Kompromisslösung hatte Landesbischof Frank Otfried July (Stuttgart) am 28. November 2018 vor der Synode geworben. 2017 hatte ein Vorschlag die notwendige Zweidrittelmehrheit verfehlt, nach dem jeder Kirchengemeinderat selbst über die Segnung gleichgeschlechtlicher Partner entscheiden sollte. Für Albrecht ist es „der Normalfall von Kirche“, dass man kontrovers diskutiert: „Es ist gut, dass nicht eine Gruppe außen vor ist, sondern alle in der Synode vertreten sind.“ So sei die Breite der Kirche abgebildet: „Dass der Pietismus darin ein ganz gewichtiges Wort hat, ist gut für unsere Kirche.“

Große Unterschiede in der Schriftauslegung

Allgemein gebe es ein gutes Miteinander verschiedener Strömungen. „Die Zeit der großen Grabenkämpfe ist Vergangenheit.“ In den 60er Jahren habe es grundsätzlichere theologische Auseinandersetzungen gegeben. „Ich gehe davon aus, dass alle Landessynodalen das kirchliche Bekenntnis – nämlich das Evangelium, wie es in der Heiligen Schrift gegeben ist – bejahen.“ Alle Gesprächskreise bezögen sich auf die Bibel. „In der Frage der angemessenen Auslegung allerdings sind wir zum Teil himmelweit voneinander entfernt.“ Er sei froh über „alle Positionen aus dem Bereich des Pietismus, die hier grundlegend an der angemessenen Auslegung der Schrift festhalten“. Das sei nicht nur bei dem Thema Ehe und Familie, sondern auch in der Christologie wichtig. Wie man Kreuz, Sühne und Auferstehung verstehe, wirke sich direkt auf alle Entscheidungen aus. „Für uns als ,Lebendige Gemeinde‘ ist klar, dass wir entschieden den zweiten Glaubensartikel, also Jesus Christus, betonen.“

Sitzverteilung der 15. Landessynode

Den Menschen in die „virtuelle Welt“ folgen

Zwei große Herausforderungen für die Synode sieht Albrecht gegenwärtig. Zum einen die Frage der Mission: „Wir wollen keine Volkskirche, die kein Volk mehr hat.“ Deshalb reiche es nicht, Kinder zu taufen. „Wir müssen auch missionarisch zu den Menschen unterwegs sein.“ Zum anderen sei die Digitalisierung zentral: „Es geht darum, konsequent zu überlegen, wo Menschen heute unterwegs sind. Weil das in der virtuellen Welt ist, muss auch die Kirche dahin gehen, mit allen Konsequenzen.“ Unter den 98 Mitgliedern der Synode sind 60 Laien, 30 Theologen und acht Delegierte, die aufgrund einer bestimmten Qualifikation ernannt werden. Die Synodalen vertreten rund zwei Millionen Christen in 1.300 Kirchengemeinden der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Die Legislaturperiode dauert sechs Jahre.

Quelle: idea.de